Zwischen den Ständen
- lucialaggner
- 10. Feb. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Feb. 2022
Und in der Früh, das ist auch klar, schwimmt da niemand auf der Nudelsuppe daher. Nix. Da werden solide Bahnen durch den Dschungel der autochthonen Gemüsesorten des österreichischen Demeter-Beckens gezogen. Ganz ruhig wird nach zwei bis drei Schlägen rechts, links, rechts geschaut und erspäht, erfasst, ins Stoffsackerl gesteckt. Hier geht’s nicht um die Ellbogentechnik des Gegeneinanders, hier geht’s um den hohen Ellbogen der Kraultechnik, der im Alltag seine Anwendung findet. Das Publikum ist durchmischt, aber man kennt sich, man weiß, die großen Worte will und muss hier keiner sprechen, man wechselt auch keine Gesten der Begrüßung, man hakelt seinen Namen auf der Liste ab oder lässt abhakeln – vom Franzosen, von der BoKu-Studentin, von wem auch immer. Diese wiederum sind das Guten Morgen Österreich von Ö1 – vertraut, gemütlich und beiläufig wie die Klassikklänge vor dem Morgenjournal. Man ist froh und versteckt stolz, dass man Mitglied im solidarischen Landwirtschaftsverein ist und holt sich, was einem zusteht: den wöchentlichen Ernteanteil.
Gegenüber. Der Wurststand. Der Standler oder vielmehr die Standlerinnen, weil betrieben wird dieser hier nicht von Männern, sondern von zwei bis drei Frauen. Die alte Chefin ist fast immer da, die junge, etwa 50jährige, auch immer. Wer die Dritte ist, vergesse ich, aber jedenfalls wird diese Position im Team von einer Wechselspielerin besetzt. Klar ist das nicht irgendein Stand, weil ich mein’, es ist der Wurststand bei der Kettenbrückengasse am Naschmarkt. Da weißt‘, da geht’s um was, da geht das „Who is Who“ der Nachbarschaft seine Wurst kaufen. Irgendwie so, wie halt die Leut‘ aus‘m 18. zum Kutschkermarkt gehen und dort ihren Fleischer haben, aber da kenn ich mich nicht aus und da will ich jetzt auch nicht hin. Und zugegeben, ich wusste erst mal nicht, dass der Stand das Gewicht hat, das er aus meiner Sicht und abgeleitet von meinem aktuellen Beobachtungsstand hat. Er ist weder schön, noch geht von ihm ein „Hallo“ der geselligen Betriebsamkeit aus. Aber da ist die Grazerin in mir erneut der Wiener Charakteristik an und für sich auf den Leim gegangen. Wenige Dinge, die echt wichtig sind, sind in Wien schön, nett oder klar. Das, was wirklich schön ist, entdeckt man erst, wenn man schon länger hier ist und schon einiges von dem nicht so Schönen und Netten gesehen hat. Und vermutlich wirken die gefeierten Neuentdeckungen für Nicht-Wiener auch gar nicht so grandios, wenn sie dann auf Besuch kommen und man sie dorthin führt. Aber man selbst hat so viel Grausiges gesehen und Unfreundliches erlebt, da kann man mit diesem doppelten Boden der Unfreundlichkeit umgehen, weil‘s eigentlich irrsinnig nett gemeint ist – solang man sich nicht in Sicherheit wähnt. Auch im Schönbrunnerbad würd‘ ich vorsichtig sein. Wobei wir da über die strahlende Schönheit nicht diskutieren müssen.
Zurück zum Wurststand, wo jedenfalls immer Leute Schlange stehen. Oder sagen wir besser anstehen bzw. warten, weil in Reih‘ und Glied stellt sich da keiner an. Weder die Frau Klaus – „Grüß Sie, Frau Klaus. Die Mutter war heut schon da.“ – noch der Herr Horvath. „Ja, der Herr Horvath, wir ham scho dacht, Sie kumman heit nimma mehr.“ Aber das macht nichts, weil auch hier ist‘s in der Früh noch überschaubar und nicht überlaufen. Da stehen 4-5 Leute vorm Stand und die Damen wissen natürlich, wer als Nächstes dran ist.
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