Frosties
- lucialaggner
- 25. Feb. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Als Kind der 90er Jahre – und klar würde ich gerne sagen „als Kind der 80er Jahre“, weil wer würde das nicht gerne, aber es stimmt nicht und das macht man nicht. Also, als Kind der 90er Jahre ist man mit einer Ernährung aufgewachsen, die sich als Experiment verstehen lässt. Als total verständliches Experiment. Überhaupt kein kompliziertes, sondern eines wo das „Bias“, das durch falsche Untersuchungsmethoden das Ergebniss verzerrt, von Beginn an Teil des Konzepts war. Das Bias, kurz gesagt der Fehler, wurde gewissermaßen als unabhängige Variable eingebunden und von da an nicht mehr kommentiert. Da gibt’s keine Papers dazu. Also, es gibt viele Papers zur Ernährungsmethodik der 90er Jahre. Peer-reviewed und nicht peer-reviewed. Aber mit dem Bias hat sich da niemand angepatzt. Klar. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten ja mitunter auch selbst Kinder. Und wenn sie selbst keine Kinder hatten, dann hatte eben der Kollege oder die Kollegin Kinder. Und mit Kollegen geht man gut um. Wer glaubt, dass es Zufall ist, dass 25 Jahre später Edeka diese Kampagne mit dem „Kollegen“ gemacht hat – Edeka, der Spar Deutschlands – irrt. Also, wer da wirklich glaubt, dass da niemand dem Kollegen etwas schuldig war bzw. dass der Kollege da nicht all die Jahre während der Experimente still geblieben ist und den Mund gehalten hat, der glaubt falsch. Aber so wichtig ist das nicht. Das ist eher ein Prolog. Ein langer Prolog für einen kurzen Aufbau und eine pointierte Pointe. Ah schau, eine Tautologie. Schön.
Wo Diätologinnen und Diätologen in meinem Alter – und die Dunkelziffer ist hoch, weil ja ein gefragter Job – wo die gar nicht hindenken wollen, da haben sie als Kinder den großen Löffel in einer Schüssel Frosties versenkt. Jeder kennt diese Bewegung: rein mit dem Löffel in die kühle Milch, die ist gesund, kommt ja von der Kuh, und aufgeladen die krossen, knusprigen Taler aus reinstem Getreide. Von mächtig Kalzium war da immer die Rede und von sechs lebenswichtigen Vitaminen. Da ist ja wohl wirklich egal, ob das Kalzium schon eingerechnet ist. Fünf, sechs … viele eben! Ich hab’ da schon immer konsequent die Kartonmünzen ausgeschnitten, die auf der Packung waren. Man konnte durchaus ein T-Shirt gewinnen. Was meine Großmutter damit gemacht hat, weiß ich nicht und kann ich leider nicht mehr erfragen, aber ich denke, sie hat die schon zur Post gebracht. Klar.
Leid haben mir persönlich immer die Kids getan, die Cornflakes bekommen haben. Üble Nummer, so ohne diese sechs Vitamine. Da stand auch nix drauf von denen. Manchmal hat meine Mutter auch zu Cornflakes gegriffen. Zu denen vom Hofer. Hui, das war nix. Aber das war nicht leicht zu vermitteln, weil sie den Hofer irgendwie mochte und dort gab‘s damals gar keine Frosties. Irgendwann hab’ ich dann verstanden, dass eines von den sechs Vitaminen Zucker ist und hab’ die Cornflakes mit Staubzucker versehen. Aber da haben die anderen Vitamine gefehlt und das hat man geschmeckt. Mein guter Freund und damaliger Nachbar hat mir viel später, also eigentlich erst vor ein paar Wochen, erzählt, dass er und seine Brüder einfach mit sehr viel Zucker vorgegangen sind. Sehr viel. Dann ging’s, hat er gemeint. Immer, wenn seine Mutter nicht hingeschaut hat, haben sie wieder Staubzucker darauf geleert. Der Aggregatzustand der Milch ging dann schon von flüssig gefährlich nahe zu fest über. Aber da sie ziemliche Profis waren, ist das natürlich nie ganz passiert. Die Flakes müssen ja in irgendetwas schwimmen und vor allem: die Milch.
Die gesunde Milch.
Das Kalzium.
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